Soziokulturelle Animation beobachtet

Rezension von Franco Bezzola, Basel

Als praxisnah kann die Soziale Systemtheorie von Niklaus Luhmann nicht bezeichnet werden. Dass sie allerdings sehr praktisch sein kann, beweist Michel Voisard mit seinem Buch. Nichts weniger als die soziokulturelle Animation aus systemtheoretischer Perspektive zu präzisieren, nimmt sich der Autor vor, und dies gelingt ihm auf sehr nützliche und verständliche Art und Weise. Mit vielen Tabellen, Grafiken und Einschüben wird die große Informationsmenge übersichtlich dargestellt.

In sechs Kapiteln behandelt das Buch drei Themenbereiche: In einem ersten Teil werden die wesentlichen Begriffe dieser hochkomplexen Theorie herausgearbeitet und das theoretische Grundgerüst entfaltet. Wichtige Fragestellungen der soziokulturellen Animation wie ihre gesellschaftliche Position, ihre Kern- und Teilaufgaben, ihre Interventionsabsicht und letztlich auch die Beziehung zu ihrem Klientel werden im Mittelteil thematisiert und mithilfe der Systemtheorie geklärt. Anhand eines Kooperationsprojektes wird im Schlussteil der ausgeführte Ansatz schliesslich mit der Praxis verknüpft.

Der knapp gehaltene und aufgrund der vielen Originalzitate sehr kompakte Theorieteil vermittelt das erforderliche Grundwissen über Luhmanns Theorie. Daraus läst sich für die soziale Arbeit als wichtigste und folgenreichste Erkenntnis die Selbstbezüglichkeit (operative Geschlossenheit) der einzelnen Systeme ableiten. Es beschreibt das Dilemma, dass ein restloses Verstehen über die Systemgrenzen hinaus nicht möglich ist und wir folglich das Verhalten unsere Zielgruppen nie direkt beeinflussen können. Was tun wir also, wenn sich die beklemmende Einsicht einstellt? Mit grosser Sorgfalt löst der Autor in den drei darauf folgenden Kapiteln, die daraus resultierenden Unsicherheiten und Widersprüche der soziokulturellen Praxis auf.

Bei der Gegenüberstellung der soziokulturellen Animation mit der Systemtheorie bezieht Michel Voisard sich stets auf die „animatorischen“ Selbstbeschreibungen in den drei für die deutsche Schweiz relevanten Standardwerken. Dadurch gelingt es ihm, breit angelegt, bestehende Differenzen, aber auch die weitgehenden Übereinstimmungen ihres Fachverständnisses aufzuzeigen.

Eine präzise Verortung der soziokulturellen Animation aus (systemtheoretisch-) gesellschaftlicher Sicht ist zweifelsohne der Erfolg dieser Arbeit. Darüber hinaus werden aber auch grosse Aussagen, wie Demokratie- und Partizipationsförderung von moralischen Implikationen befreit und auf ein stichhaltiges, theoretisches Fundament gestellt. Längst als selbstverständlich gehandelte Grundsätze werden hinterfragt, ohne dabei aber Leerstellen zu hinterlassen.

Fazit:
Das Buch sei allen Fachleuten im Bereich der Soziokulturellen Animation bzw. Freizeitpädagogik empfohlen. Nicht zuletzt werden auch diejenigen, die ihre mit Ideologie bepackte Arbeitspraxis entrümpeln wollen, dieses Buch mit Vergnügen lesen.

Erschienen in: Sozial Aktuell, AvenirSocial, Nr. 9 September 2006, S. 21

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